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Presse
Nehmen Sie sich doch ein wenig Zeit und Sie erhalten, über diesen gelungenen
Artikel, einen kleinen Einblick in das Tätigkeitsfeld eines Goldschmiedes.
...und im Lederfell glitzern die Messingspäne
In der Werkstatt eines Goldschmieds werden traditionelle
Arbeiten in Ehren gehalten: Sägen, feilen, polieren
Von Friedrich Caron-Bleiker Bremen.
Aus dem Weser - Kurier vom 18.02.2001 |
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"Anfertigung einer Sägeübung
aus Messing: Aus einem 0,5 mm starken Block säge ich ein 40 mal 40 mm großes
Quadrat aus" - in dem schon ein wenig vergilbten Berichtsheft können
wir verfolgen, wie vor über 25 Jahren der Berufsalltag für den jungen Gröpelinger
Joachim Hoops begann, nachdem er sich entschieden hatte, das
Goldschmiede-Handwerk zu erlernen. |
Als erstes hatte
der Lehrling Hoops das Sägeblatt einzuspannen. Keins der massiven, mit denen
Generationen von Kindern im Werkraum der Schule angehalten wurden,
Holzplatten zu bearbeiten. Wir können nachfühlen, welche Mühe es kostete,
das hauchdünne Metall-Sägeblatt auf seinem Weg an der vom Meister
vorgezeichneten Linie entlang zu führen. Schon nach der halben Strecke mögen
dem angehenden Goldschmied die beiden losen Fetzen des zerrissenen
Sägeblatts entgegengeschaut haben. Er versuchte sich daran, ein neues
einzuspannen. Ein zweiter Anlauf wurde fällig, denn der junge Mann hatte das
Blatt verkehrt herum eingespannt: Die kleinen Sägezähne, mit bloßem Auge
kaum erkennbar, zeigten nach oben. Wieder ansetzen, konzentrieren, nicht
beirren lassen: So sahen die ersten Minuten eines Berufslebens aus . |
Sägen auf dem
Feilnagel
Heute hat Joachim Hoops eine eigene Goldschmiede-Werkstatt in Habenhausen.
Aus dem Fenster des kleinen Büroraums fällt der Blick über die Dorfstraße,
auf der die Kinder zur nahegelegenen Schule radeln. Früher war hier ein
Friseur ansässig. Der ist immer noch da, begnügt sich aber mit kleinerer
Fläche in einem Seitenflügel des Hauses Nummer 5. Wo früher die Kundinnen
unter Trockenhauben in Zeitschriften blätterten, wird jetzt mit Edelsteinen,
mit Schmuck und Geschmeide gehandelt. Mit Dingen, die, wenn sie erst einmal
fertiggestellt sind, in kleine Geschenkschatullen verpackt werden und
vorwiegend an weiblichen Armen, Fingern, Hälsen oder Ohren ihre Heimstatt
finden. |
Zur Firma Hoops gehören der
Chef, drei Angestellte und ein alter Monitor, der unbenutzt in der Ecke des
Büros herumsteht. "Ich weiß, dass es eine Menge Kollegen gibt, die ihre
Buchführung am Computer abwickeln", weiß Hoops, aber er selbst erledigt die
kaufmännischen Dinge lieber noch mit Stift und Papier. Viele blau-rote
Rechnungsblöcke bevölkern die Arbeitsplatte im Büro, sie streiten um den
Platz mit fast ebenso vielen Tütchen glitzernden Inhalts die darauf warten,
von den Kunden (und Kundinnen natürlich) oder vom Boten des Juweliers
abgeholt zu werden. |
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Doch bevor das
kleine Schmuckstück im Foyer des Theaters, in der Konzertpause oder auf
einer Party mit Freunden die Blicke der Umstehenden anzieht, ist eine Menge
Arbeit von Nöten. Von kurz nach acht bis nachmittags um fünf sind Joachim
Hoops und seine Mitarbeiter Uta Timm, Sandra Neyenhuys und Klaus Vormschlag
damit beschäftigt, Aufträge auszuführen. Reparaturaufträge, kleine und große
Konstruktionen, die in die Welt gesetzt wurden, um den Menschen noch schöner
erscheinen zu lassen. |
Eine Kundin hat
ihren Armreif vorbeigebracht. Er soll etwas opulenter gestaltet werden, mit
einem Aufsatz aus 585er Gelbgold. Joachim Hoops satiniert die Oberfläche des
Aufsatzes, der zuvor an den Reif gelötet wurde, mit einem Federstichel. Der
unkundige Betrachter könnte vermuten, der Goldschmied wolle mit dem kleinen
Dorn das Schmuckstück zerkratzen und damit ruinieren. Doch die feinen, immer
in die gleiche Richtung gezogenen Striche verleihen der Oberfläche einen
matten Glanz, dessen Wirkung sich noch verstärkt, wenn dem Gegenstand die
gleiche Behandlung in der gegenläufigen Richtung zu Teil wird.
Die Messingplatte des Lehrlings Hoops - was ist weiter mit ihr passiert?
Mit der zweiten Linie, die der Meister eingraviert hatte, ging es schon
etwas schneller und die dritte wurde sogar ohne einen neuen Bruch des
Sägeblatts bewältigt. Leichte Abweichungen vom geraden Kurs wusste unser
Lehrling jetzt mit einer sanften Wendung des Blatts zu beantworten. Der
Ausbilder korrigierte noch ein wenig herum, straffte die Hoopsschen
Schultern und nötigte den jungen Kollegen, beim Sägen die volle Länge des
Blatts einzusetzen. |
Die Finger der
linken Hand begannen zu schmerzen, sie mussten kräftig drücken, damit die
Messingplatte im richtigen Winkel auf dem hölzernen Feilnagel auflag.
Nachdem die Arbeit zur Zufriedenheit des Lehrherrn bewältigt war, stellte
dieser die nächste, erheblich schwierigere Aufgabe: Herr Hoops hatte jetzt
ein kreisrundes Stück aus der Messingplatte auszusägen, das der Meister
zuvor mittels eines Stechzirkels vorgezeichnet hatte.
Heute arbeitet der Goldschmied an einer runden Platte von kolossalen
Ausmaßen. Die Oberfläche ist vollgestellt mit kleinem und großen
Arbeitsgerät, doch die geübte Hand des Mannes findet blind, was sie sucht.
Es wirkt wie Chaos pur, an die 400 Einzelstücke mögen es sein, die den Tisch
bevölkern, doch ein jedes Stück hat seinen Platz. Joachim Hoops arbeitet vor
einer halbrunden, in den Tisch gekerbten Ausbuchtung. In dieser Ausbuchtung
lauert, mit massiven Nägeln ins Holz geschraubt, das Lederfell auf die
Abfälle aus dem Arbeitsprozess. Dort finden sich glitzernde Metallspäne,
Plastikspulen, zerfetzte Sägeblätter neben Resten von Kleinstverpackungen
und Bonbonpapier - auch der Goldschmied und seine Mannschaft mögen
gelegentlich etwas Süßes.
Der Abfall wird wiederverwertet. Zumindest das Gekrätz, die Reste von
Edelmetall, die sich im Lederfell finden. "Das schicken wir an eine
Scheideanstalt", erklärt Hoops, "dort wird es geschmolzen und eine Analyse
vorgenommen." Das Gold, das sich im Gekrätz findet, wird dann dem Goldkonto
gut geschrieben, das die Firma Hoops bei dieser Scheideanstalt unterhält und
von der sie ihr Edelmetall bezieht.
Das aufgesetzte Goldstück ist matt genug. Als nächstes wird einem
Weißgoldring einsynthetischen Saphir aufgesetzt. Rings herum angeordnet in
den Stotzen genannten winzigen Drähten sollen kleine teure Brillanten
blinken. |
An der Wand
neben dem Durchgang zum Frühstücksraum hängt ein Verbandskasten - wer in der
Goldschmiedewerkstatt arbeitet, kann zum Unfallopfer werden. Joachim Hoops
erlebte es, dass beim Auftiefen eines Goldstücks ein kleines Teil aus der
Rillenanke heraussprang, den Weg zu seinem Auge fand und die Hornhaut
verletzte. Doch wesentlich mehr zu schaffen machen dem Goldschmied
Haltungsprobleme. Den ganzen Tag auf einem kleinen Stuhl sitzen, mit beiden
Händen feinmechanische Arbeiten ausführen: Das geht auf den Rücken und die
Schulter. So hat Joachim Hoops seinen Stuhl ganz tief gelegt und stützt
sich, so weit möglich, mit beiden Armen auf der Arbeitsplatte ab. Es hat
sich herumgesprochen, dass es hier ein Problem gibt, sogar bis zu den
berufsbildenden Schulen.
Neben dem Krankengymnasten ist der Augenarzt ein Ansprechpartner der
Männer und Frauen aus dem Goldschmiede-Handwerk. Wo filigran mit kleinen
Teilen gearbeitet wird, bleibt die Sehkraft auf der Strecke - früher oder
später. Zur Arbeit mit einem winzigen Stein klemmt sich Joachim Hoops eine
Lupe ins Auge. Die Brille allein reicht da schon nicht mehr.
Früher haben sie sich Scherze mit dem Meister erlaubt. Irgendwer hatte
eine Schale mit Kohlenstaub mitgebracht, und wenn abzusehen war, dass sich
der Alte die Lupe schnappen würde, tunkte einer das Vergrößerungsglas mit
der Rückseite leicht in die schwarze Asche. Niemand klärte anschließend den
Bedauernswerten auf, dass er mit einem kohleschwarzen Augenrand durch die
Werkstatt stolzierte. |
Fasser,
Gießer, Schleifer
Zurück zum Katzengold, wie in Fachkreisen das Messing genannt wird. Unser
Lehrling mühte sich mit seiner Säge, der Platte das runde Stück zu
entreißen. Dann bekam er eine Feile in die Hand gedrückt ("Immer aufwärts!")
, um die letzten Ecken und Kanten zu begradigen. Doch jedesmal, wenn er sich
am Ziel wähnte, schüttelte der Meister den Kopf, murmelte etwas von "oval"
oder "es soll so rund werden wie eine Uhr vom Glockenschuster" und schickte
den jungen Herrn Hoops in eine neue Runde mit der Feile. Die Späne rieselten
ins Lederfell, dann war endlich fertig gefeilt und der Weg frei für den
nächsten Arbeitsgang: Auf den Lehrling wartete ein mit Schmirgelpapier
umwickelter Dorn. Wenige Minuten später waren auch noch die letzten
Unebenheiten der Oberflächen auf beiden Seiten beseitigt. Der Meister hielt
die nunmehr kreisrunde Münze gegen das Licht, wendete sie von einer Seite
auf die andere, kniff die Augen zusammen und sagte: "Schau an, jetzt hat er
schon richtig etwas zu Stande gebracht."
Gibt es heute im Hause Hoops Auszubildende, die den Beruf des Goldschmieds
erlernen? Der Chef schütttelt den Kopf: "Das kann ich nicht verantworten.
Aber immerhin schaffen wir es, gelegentlich einen Praktikanten zu
beschäftigen." Es ist ein wenig eng geworden mit der Konjunktur. "Es gibt
kein richtiges Weihnachtsgeschäft mehr bei den Goldschmieden", klärt Hans
Hermann Scholl, der Geschäftsführer der Handwerkskammer, auf. Früher konnte
mit dem Geschenkeboom zum Jahresende eine Sommerflaute aufgefangen werden.
Trotzdem ist der Personalstand in den 38 Bremer Goldschmieden konstant
gehalten worden. Scholl: "Es gibt keinen Rückgang der Beschäftigung,
allerdings mussten in Bremerhaven drei Betriebe schließen."
Joachim Hoops kann gut damit leben, dass der technischen Revolution in
seinem Beruf Grenzen gesetzt sind: "Wir sind immer noch ein Handwerk." Und
es ist der Kunde, der die Richtung angibt. "Der Trend geht zu großen
Steinen", weiß Hoops, "große breite Ringe, bollerig und pompös." Neulich war
ein Kunde da, der wusste genau, um was es geht: "Ich will auf den
Kreuzfahrten genau so protzen wie die Holländer!" Den Heimweg trat er an mit
einem Einkaräter in Platin gefasst - am kleinen Finger. |
Der Goldschmied
hat Kollegen, die mithelfen, sein Schmuckstück zu erstellen: Fasser, Gießer,
Schleifer. Er muss mit den Edelmetall-Händlern verhandeln, mit den
Edelsteinhändlern, den Juwelieren und natürlich mit den Kunden. Da gilt oft
noch das Kulanzprinzip: "Es wird keine Arbeit berechnet die nicht gefällt",
heißt das Prinzip des Joachim Hoops. Das kostet Zeit und Geld - aber hält
den Kunden im Haus.
Wir verfolgen das kreisrunde Messingstück, die Lehrlingsarbeit damals wie
heute. auf seinem Weg durch die letzten Instanzen der Goldschmiedewerkstatt.
Ein kleines Loch wird in das Material gebohrt, für die Öse, weil damit zu
rechnen ist, dass unsere kleine Meisterarbeit noch heute abend an einer
Kette baumeln wird.
Mit dem Polierer, der sich zusammen mit der Schmelzecke in einem kleinen
Nebenraum befindet, wird der Rand auf Hochglanz gebracht. Dann geht es in
die "Giftküche" der Werkstatt. Zuerst befreit ein Ultraschallbad das gute
Stück von Fettpartikelchen, dann wird es rhodiniert: Die Bearbeitung mit
galvanischem Strom sorgt für richtige Farbgebung.
Den Schlusspunkt setzt die Gravurmaschine. Das bestimmte Initial, der
Anfangsbuchstabe der Liebsten, wird aus dem Regal geholt. Den Dorn ansetzen
! Vorsichtig, jetzt darf nichts mehr schiefgehen, sonst waren alle Mühen
umsonst. Dann malt der Zwillingsdorn die Konturen des Buchstabens nach.
Operation geglückt! Stolz, von der Zukunft mit dem eigenen Geschäft
träumend, verlässt der Lehrling die Werkstatt. |
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